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Klimaschutz auf Mieterkosten? Soziale Vermieter besorgt

Jun 22, 2021
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Viele Wohnungsunternehmen fürchten wegen verschärfter Klimaziele steigende Baupreise und europaweiten Handwerkermangel – mit schlechten Folgen für Mieter.

Der Wohnungswirtschaftsverband GdW forderte am Dienstag in Berlin eine politische Lösung, um den Klimaschutz mit dem Ziel günstiger Wohnungen unter einen Hut zu bringen. Eine Beschränkung von Mieterhöhungen bei gleichzeitiger Vorgabe schärferer Klimaziele und mangelnden Wohnungsbauzuschüssen wird nach Einschätzung von GdW-Präsident Axel Gedaschko nicht funktionieren: «Das ist sinnfrei, was teilweise dort vorgeschlagen wird», sagte Gedaschko, ohne eine bestimmte Partei zu nennen.

Der GdW vertritt 3000 Wohnungsunternehmen mit sechs Millionen Wohnungen. Darunter sind viele Genossenschaften, kommunale und kirchliche Gesellschaften und andere sozial orientierte Unternehmen, die unterdurchschnittliche Mieten verlangen. Für Unruhe und Ärger unter vielen Firmen sorgen derzeit sowohl das geplante Klimaschutzgesetz des Bundes als auch die Wahlprogramme, in denen sich mehrere Parteien für Mietbeschränkungen beziehungsweise Mietenstopp aussprechen.

Auf EU-Ebene würden Soziales und Klimaschutz zusammengedacht, sagte Gedaschko. In Deutschland dagegen gibt es nach Ansicht des GdW-Präsidenten «siloartiges Denken»: die Sorge um bezahlbares Wohnen auf der einen Seite, auf der anderen immer höhere Anforderungen und Kosten für die Erreichung der Klimaziele. «In Deutschland hat keine der jetzt für den Bundestag antretenden Parteien einen echten Plan.»

Auch die deutschen Städte warnen vor finanzieller Überforderung, wenn auch in diplomatischem Ton. «Klimaschutz und Wohnungsbau sind beides zentrale Zukunftsaufgaben der Städte und müssen Hand in Hand gehen», sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. «Klar ist aber auch: die Städte und ihre Unternehmen können die finanziellen Aufwendungen für den Klimaschutz bei Wohnungen nicht allein stemmen. Deswegen müssen Bund und Länder den Fördermix verbessern.»

Der Städtetag fordert daher eine «gute Mischung» aus direkten Zuschüssen, günstigen Krediten und steuerlicher Förderung sowohl für die energetische Sanierung als auch für Neubauten. Die Kommunen plädieren außerdem eine Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, um bürokratische Hindernisse für örtlich in den Stadtvierteln erzeugte Energie abzubauen.

Die Zahl der Sozialwohnungen ist ohnehin stark geschrumpft: 2020 gab es noch 705.000 Sozialwohnungen in Deutschland, 1,2 Millionen weniger als 2002. «Das ist die Tabelle des Grauens», sagte Gedaschko dazu.

Unabhängig von der Staatsförderung war der Bau einer Wohnung laut GdW im vergangenen Jahr bereits fast doppelt so teuer wie im Jahr 2000. Eine beträchtliche Rolle dabei spielten demnach die mehrmaligen Verschärfungen der Energiesparvorgaben. «Wenn die Kosten derart explodieren, geht sozialpolitisch eine Schere auf, die wir auch beim besten Willen nicht mehr schließen können», sagte Gedaschko. Die Sorge: Wenn es die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen, könnten Wohnungen in den Ballungsräumen noch teurer und knapper werden. Mieterzorn trifft in aller Regel die Vermieter und nicht die Politik.

Klimaziele hat aber nicht nur Deutschland, sondern auch die restliche EU. Nach Einschätzung des GdW könnte das ein ganz banaler Stolperstein werden: Zu wenig Handwerker für zu viele Sanierungen. «Die deutsche Hoffnung, dass wir uns ganz viele Handwerker aus dem Ausland holen, die das dann alles richten, ist ein absoluter Irrglaube», sagt Gedaschko.

Der bayerische Mitgliedsverband des GdW hat bereits gewarnt, dass in Zukunft weniger Geld für den Bau neuer Wohnungen übrig bleiben werde. Doch sind die Meinungen in der Branche geteilt. Mit Abstand größter Vermieter in Deutschland ist mit gut 355.000 Wohnungen die Bochumer Vonovia, die 2021 etwa 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro für Modernisierung und Neubau ausgeben will. Der Dax-Konzern ist unbesorgt: «Unsere Investitionen werden durch das neue Klimaschutzgesetz nicht gebremst», erklärt eine Sprecherin. «Der Neubau ist eine wichtige Säule für unser Geschäftsmodell und unsere Klimastrategie. Wir sehen hier keine Beeinträchtigung durch ein neues Klimaschutzgesetz.»

Das Klimaschutzgesetz sieht Klimaneutralität bis 2045 vor, fünf Jahre vor dem bisherigen Zieldatum 2050. In den vergangenen zehn Jahren hatte die Verschärfung der Energiesparvorgaben laut GdW trotz hoher Folgekosten keineswegs den gewünschten Effekt. «Zwischen 2010 und 2019 tut sich irgendwie gar nichts», sagte Gedaschko dazu. Offenbar sind die Bürger in ihren Wohnungen beim Energieverbrauch nicht so sparsam wie politisch gewünscht.

Von Carsten Hoefer, dpa

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